28. März 2024

Brief an PolitikerInnen zur Tierschutzcausa

Sehr geehrter Herr Abgeordneter,

ich wende mich an Sie, weil ich durch die sogenannte Tierschutzcausa und den Tierschutzprozess direkt betroffen bin. Mein Anliegen ist nicht, Ihnen meine Unschuld zu beteuern. Das halte ich in diesem Zusammenhang für völlig irrelevant. Die Umstände dieses Verfahrens beweisen ohne jeden Zweifel, dass es hier um eine politisch motivierte Verfolgung von Personen und Organisationen im Tierschutz geht, denen man trotz massiver Ermittlungsmaßnahmen keine einzige Straftat nachweisen konnte. Meine MitarbeiterInnen beim VGT und ich sind alle ausschließlich wegen Unterstützung der Ziele einer angeblichen kriminellen Organisation nach §278a StGB angeklagt. Und das beweist, dass man keinen Nachweis einer Straftat gefunden hat, hätte man den nämlich, würde man diese Straftat anklagen. Rechtsstaat bedeutet, dass man ohne Nachweis einer Straftat auch nicht verurteilt werden kann, unabhängig von der Schuldfrage.

Selbstanzeigen beweisen: §278a ohne Gehalt

An dieser Stelle wird für die politische Verfolgung §278a ins Spiel gebracht, jener Paragraph, mit dem einerseits die Polizei alle Ermittlungsmaßnahmen durchführen darf, und andererseits Menschen belangt werden können, weil sie „auf andere [also beliebige] Weise“ die Ziele einer angeblichen kriminellen Organisation unterstützen. Tierschutz ist ein hehres Ziel und egal ob irgendeine kriminelle Organisation dasselbe Ziel hat, muss es erlaubt sein, dieses Ziel zu verfolgen. Durch die Nominierung und Verleihung des Tierschutzpreises seitens Minister Stöger wurden dieselben Tierschutzziele, wie sie laut Tierschutzprozess eine kriminelle Organisation verfolge, explizit ausgelobt. Die Unterstützung dieser Ziele durch legale Handlungen darf also nicht durch §278a kriminalisierbar sein.

Im Strafantrag gegen Chris Moser liest sich der vollständige Vorwurf so: er habe ein Flugblatt gegen die Jagd zu Hause gehabt, er sei Kampagnenleiter des VGT, er habe den Engländer Keith Mann zu einem Vortrag eingeladen, er habe selbst einen öffentlichen Vortrag über die Kleider Bauer Kampagne gehalten, er habe legale Strategien gegen die Jagd entwickelt, er habe Animal Liberation Workshops organisiert und er habe unbekannte ausländische Tierschützer bei sich schlafen lassen. Damit habe er eine kriminelle Organisation unterstützt.

Die Linzer Kampagnenleiterin des VGT hat daraufhin erkannt, dass die gleichen 7 Vorwürfe genauso auf sie zutreffen. Auch sie hat Keith Mann eingeladen, das gleiche Flugblatt zu Hause, Animal Liberation Workshops organisiert usw. Daraufhin hat sie sich selbst angezeigt und dabei genau auf die gleichen Punkte hingewiesen, wie im Strafantrag. Die Staatsanwaltschaft hat ihr innerhalb von 11 Tagen mitgeteilt, dass diese Handlungen nicht einmal einen Anfangsverdacht für §278a ergeben würden! Ein anderer Tierschützer hat ebenfalls eine Selbstanzeige dieser Art nach den Anklagepunkten gegen DI Elmar Völkl, einen weiteren Angeklagten im Tierschutzprozess, eingebracht. Das Resultat hier: die Staatsanwaltschaft Wien hält diese Handlungen nicht für strafrechtsrelevant.

Die Staatsanwaltschaften Wien und Linz halten also die gleichen Handlungen für strafrechtlich irrelevant bzw. keinen Anfangsverdacht begründend, aufgrund deren das Justizministerium eine Weisung erteilt hat, dass Strafantrag zu stellen ist. Nach Artikel 7 der Bundesverfassung sind alle BürgerInnen vor dem Gesetz gleich. Nach Artikel 7 der Europäischen Menschenrechtskonvention müssen Strafgesetze eine solche Bestimmtheit aufweisen, dass vernünftige BürgerInnen verstehen, was verboten ist und was nicht. Wenn diese Fälle aber so verschieden behandelt werden und wenn die Staatsanwaltschaften und das Justizministerium §278a so verschieden interpretieren, dann ist das nicht gegeben. §278a genügt also weder Verfassung noch Menschenrechtskonvention in seiner Anwendung in der Tierschutzcausa. Die Behörde kann sich willkürlich aussuchen, wen sie anklagt und wen nicht. Es ist daher unumgänglich, §278a StGB zu reformieren.

Landesgericht verurteilt SOKO wegen Verweigerung der Akteneinsicht

Darüber hinaus haben wir Angeklagten bis heute keine Einsicht in die polizeilichen Ermittlungsakten, trotzdem diese Ermittlungen bereits 4 Jahre andauern und trotzdem wir dazu das verbriefte Recht haben. Am 24. Februar 2009 wurde die SOKO erstmals vom LG Wr. Neustadt verurteilt, weil sie uns in unserem Recht auf Akteneinsicht verletzt hat. Der Richter wies damals die SOKO an, uns unverzüglich Akteneinsicht zu gewähren. Nichts geschah. Am 14. Oktober 2010, also 20 (!) Monate später, wurde die SOKO ein zweites Mal vom selben Gericht und einer anderen Richterin mit gleicher Begründung verurteilt. Noch immer haben wir keine Akteneinsicht. Nach 4 Jahren Ermittlungen und 8 Monaten Prozess habe ich in dieser Verhandlung zum ersten Mal von einer SOKO-Beamtin gehört, dass mein Büro technisch überwacht worden ist. Wir wissen aus dem Gerichtsakt von zahlreichen Ermittlungsmaßnahmen wie Lauschangriffen, Peilsendern am Auto, Videofallen, Observationen, Kontoüberwachungen, Telefonabhörungen usw., dass sie stattgefunden haben, aber wir kennen davon keinerlei Ergebnisse. Rechtsstaat setzt voraus, dass die Angeklagten ein faires Verfahren und volle Informationen über alle Ermittlungsergebnisse erhalten.

16 Monate Einsatz einer verdeckten Ermittlerin im VGT

Die SOKO verheimlicht aber nicht nur ihre Ermittlungsergebnisse, sondern auch ihre Ermittlungsmaßnahmen. Heute wissen wir, dass eine verdeckte Ermittlerin der SOKO – rechtswidrig, weil ohne erforderliche Genehmigung – von April 2007 bis September 2008 im VGT auf allen Ebenen aktiv war. Die Polizei hat unseren Verein infiltriert. Alle später inkriminierten Aktionen des zivilen Ungehorsams, alle inkriminierten Veranstaltungen und internationalen Konferenzen, die oben genannten Animal Liberation Workshops usw. hat diese Beamtin besucht und weiß daher, dass dort nichts Kriminelles passiert ist. Sie hat sogar eine sexuelle Beziehung mit einem der Angeklagten begonnen. Zwei der Angeklagten werden nur deshalb belangt, weil sie geholfen haben, Computer zu verschlüsseln. Generell wurde behauptet, der konspirative Charakter unseres Verhaltens, wie Zurückhaltung am Telefon, verschlüsselte Emails oder Codeworte für Aktionen, sei verdächtig. Tatsächlich hat aber die verdeckte Ermittlerin selbst laufend darauf gedrängt, wir sollten konspirativ vorgehen, Codeworte verwenden, am Telefon nicht offen sprechen und unsere Computer verschlüsseln. Sie weiß aus erster Hand, dass dahinter nichts Kriminelles steckt!

Die Polizei hat die Operationen dieser verdeckten Ermittlerin deshalb geheim gehalten, weil sie überall dabei war und nichts Kriminelles gefunden hat. Niemand in ganz Österreich war 2007 und 2008 besser überwacht als wir beim VGT. Dieses Faktum versucht die Polizei zu vertuschen, damit die Verteidigung das nicht als entlastenden Beweis in den Prozess einbringen kann.

Und so weiter: 3 x Steuerfahndung, UVS-Richterin belauscht, …

Neben den genannten Aspekten gab es in der Tierschutzcausa weitere zahllose Kuriositäten, die die politische Willkür hinter dieser SOKO-Aktivität unterstreichen. In den letzten Jahren wurde 3 Mal – jeweils von der Kriminalpolizei ausgelöst, ja sogar von der SOKO bei internen Sitzungen beschlossen – eine Finanzprüfung unseres Vereins durchgeführt. Beim ersten Mal ging es darum, dass wir einen für eine NGO zu großen Umsatz in unserem Shop hätten. Beim zweiten Mal wurde versucht, uns die Gemeinnützigkeit zu nehmen, weil wir politisch aktiv seien. Und zuletzt ging es um die Frage, ob verdeckt Gehälter gezahlt würden. Alle drei Prüfungen haben ergeben, dass der VGT gesetzeskonform agiert hat. Die Prüfungen beweisen aber auch, dass man es von staatlicher Seite auf uns abgesehen hat.

Oder erinnern wir uns an die UVS-Richterin, die im Jahr 2007 einige TierschützerInnen freigesprochen hatte und dann von mir in einer internen Kommunikation gelobt wurde. Es folgte die Abhörung ihrer Telefone über mehrere Monate, eine Hausdurchsuchung und die Begehung ihres Hauses durch zwei Architekten als Sachverständige des Gerichts, um festzustellen, ob irgendetwas an ihrem Haus durch Bestechung finanziert worden sein könnte. Natürlich wurde nichts gefunden.

Oder erinnern wir uns an den Versuch der SOKO, unsere staatlich akkreditierte Tierschutzkontrollstelle als eine Institution darzustellen, die Schutzgelderpressungen durchführt. Weil jene LandwirtInnen, die eine bessere Tierhaltung haben und diese von uns kontrollieren lassen, für dieses Kontroll-Gütesiegl bezahlen, während wir natürlich gegen andere mit schlechterer Tierhaltung protestieren, wurde das als die Erpressung von Schutzgeld dargestellt. Toni Hubmann von Toni’s Freilandeiern wurde dazu z.B. intensiv von der SOKO befragt, ob er gezwungen würde, uns Schutzgeld zu bezahlen. Herr Hubmann hat, seinen Angaben nach, nur das Beste über uns gesagt – er ist aus Protest gegen die SOKO-Ermittlungen Mitglied im VGT geworden – und seine stundenlange Einvernahme findet sich natürlich nicht in den Gerichtsakten!

Ich könnte noch viele Beispiele aufzählen. Ich denke es ist unbestreitbar, dass die Tierschutzcausa und der begleitende Monsterprozess einen ungeheuren Skandal für diesen Rechtsstaat darstellen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die SOKO von Anfang an den Auftrag hatte, den VGT zu verfolgen und kalt zu stellen. Es ist meines Wissens einmalig in der Geschichte der zweiten Republik, dass man so gegen eine NGO mit 20.000 Mitgliedern vorgeht. Es ist mir eine großes Anliegen, Sie auf diese Umstände aufmerksam zu machen. Ich bin gerne bereit, Ihnen die genannten Fakten zu belegen. Ich würde mich freuen, wenn Sie mir Ihre Meinung dazu mitteilen würden. Wir haben konkrete, professionell erarbeitete Reformvorschläge für §278a StGB, die wir Ihnen gerne unterbreiten würden, um derartige Vorkommnisse in Zukunft zu verhindern.

Hochachtungsvoll,

DDr. Martin Balluch
VGT-Obmann

6 Gedanken zu “Brief an PolitikerInnen zur Tierschutzcausa

  1. Eine einzige Farce !
    Dieser ganze Prozess ist so absurd,
    dass er lächerlich und lustig wäre –
    wenn dabei nicht gezielt und mit voller Absicht
    menschliche Existenzen zerstört und und engagierte
    Bürgerinnen und Bürger eingeschüchtert würden !
    Was Polizei und Justiz hier tun,
    das sind eigentlich die klassischen Methoden
    einer Diktatur !
    Mit Rechtsstaat und Demokratie hat das längst
    nichts mehr zu tun.
    Die Botschaft ist klar :
    Wer sich für bestimmte unerwünschte Ziele einsetzt,
    wird – Recht und Gesetz hin oder her –
    de facto für vogelfrei erklärt
    und geht seiner Bürger-
    (und vielleicht bald schon Menschen-) Rechte verlustig.
    Wer unbequem ist, wird eingesperrt.
    Irgend ein offizieller Grund dafür wird sich schon finden –
    siehe auch Julian Assange !
    Das Traurige dabei :
    Offenbar nimmt die breite Masse der Bevölkerung
    diese Zustände desinteressiert hin.
    Ich fürchte, die Mehrzahl der Menschen hätte überhaupt
    kein Problem damit, in einer (weichen) Diktatur zu leben,
    soferne der Lebensstandard hoch genug ist
    (Auto, Schnitzel, Fernsehkastel…) und es genug
    Freizeit-Angebote im Sinne einer Spaßgesellschaft gibt.
    Armes Österreich !
    Arme EU ??
    Arme Welt ???
    ———————————–
    An die Angeklagten von Wr. Neustadt :
    Wenn ich auch persönlich nicht beim Prozess
    anwesend sein kann –
    mit dem Herzen bin ich bei Euch,
    wie so viele !!!
    Ihr steht in der ersten Reihe und an vorderster Front,
    aber Ihr seid nicht allein !
    Auf Euch ruht die Hoffung der freien Zivilgesellschaft !
    Lasst Euch nicht unterkriegen !
    Mit solidarischen Grüßen
    Wolfgang Schröter

  2. Dieser irrsinnig bescheuerte Prozess muss sofort eingestellt werden! Bei Weiterführung machen sich Handl(ang)er, Fekter, Bandion-Ordner, Arleth und wie sie alle heissen doch noch viel lächerlicher, als sie es eh schon getan haben…

  3. Maria Riegler Dein Kommentar wartet auf Freischaltung.
    Dezember 6th, 2010
    Nach einem entsprechenden Bericht in einem Wochenmagazin habe ich erstmals Ihre diesbezüglichen Seiten aufgerufen und aufmerksam gelesen. Ich empfinde Schmerz, Wut und Trauer. Ich bin entsetzt, welch geringe Resonanz (konkret hier in Form von Kommentaren) diese unfassbaren Vorgänge hervorrufen und bedaure, nicht mehr jung genug zu sein, um Ihre gute Sache aktiv unterstützen zu können.
    Unfassbar, mit welch unverhältnismäßigen Mitteln Menschen ausspioniert und verfolgt werden. Die Vernichtung der Existenzen dieser bewundernswerten Idealisten – Ihrer Existenzen – wird offensichtlich in Kauf genommen. Wen wundert’s, wenn wir – die Geborgenen, Satten – immer weniger bereit sind, dem Anderen, Schwachen, dem ohne Lobby, beizustehen. Demonstriert doch die “Staatsmacht” mit aller Härte, dass Wegschauen der entschieden bessere Weg ist…

    Heute das Tier, morgen der Obdachlose an der Straßenecke, übermorgen mein Nachbar…

    Armes Österreich!

  4. Nach einem entsprechenden Bericht in einem Wochenmagazin habe ich erstmals Ihre diesbezüglichen Seiten aufgerufen und aufmerksam gelesen. Ich empfinde Schmerz, Wut und Trauer. Ich bin entsetzt, welch geringe Resonanz (konkret hier in Form von Kommentaren) diese unfassbaren Vorgänge hervorrufen und bedaure, nicht mehr jung genug zu sein, um Ihre gute Sache aktiv unterstützen zu können.
    Unfassbar, mit welch unverhältnismäßigen Mitteln Menschen ausspioniert und verfolgt werden. Die Vernichtung der Existenzen dieser bewundernswerten Idealisten – Ihrer Existenzen – wird offensichtlich in Kauf genommen. Wen wundert’s, wenn wir – die Geborgenen, Satten – immer weniger bereit sind, dem Anderen, Schwachen, dem ohne Lobby, beizustehen. Demonstriert doch die “Staatsmacht” mit aller Härte, dass Wegschauen der entschieden bessere Weg ist…

    Heute das Tier, morgen der Obdachlose an der Straßenecke, übermorgen mein Nachbar…

    Armes Österreich!

  5. Nachstehend ein interessanter Auszug aus einer Mitteilung der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt:

    Nach einer Anzeige wegen Tierquälerei gegen einen Jäger (unerlaubter Elsternfang und Gefangenhaltung in zu kleinem Käfig) habe ich eine interessante Mitteilung von der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt erhalten und nachstehend zitiert:

    Eine bloß subjektiv empfundene Beeinträchtigung stellt die Antragsberechtigung ebenso wenig her (OLG Wien 23 Bs 359/08z) wie eine sich selbst (vertraglich oder statutenmäßig) auferlegte Aufgabenerfüllung, die von der Rechtsordnung nicht in einer besonderen Weise anerkannt wird.

    Deshalb kommt einem „aufmerksamen“ Bürger oder einer privat organisierten „Bürgerwehr“, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, Straftaten in ihrem Umfeld zur Anzeige zu bringen, ebenso wenig Antragslegitimation zu wie einem Tierschutzverein, der sich statutenmäßig zur Förderung des Tierschutzgedankens verpflichtet und demzufolge ein „ideelles Interesse“ an der Verfolgung von nach § 222 StGB strafbaren Taten behauptet, sofern eine derartige Einrichtung von der Rechtsordnung nicht mit der Erfüllung dieser (hoheitlichen) Aufgaben betraut ist
    (Nordmeyer, WK-StPO § 195 (Rz 8, 9)).
    Mag. Hans Barwitzius (Richter)

    Ich werde dagegen weitere Schritte einleiten.

    Marianne Jellasitz

  6. Großartige Zusammenfassung!

    Eigentlich wäre es nötig diesen Text weit zu verbreiten. Leider gibt es immer noch so viele Menschen, die nicht bereit sind sich die Fakten anzusehen, aber dennoch die fix vorgefasste Meinung haben, dass an den Vorwürfen etwas dran sein muß, da sie ja erhoben wurden.

    Österreich ist leider wesentlich korrupter als die meisten Leute wahr haben wollen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert