29. März 2024

Cambridge Declaration: Tiere haben Bewusstsein

In meinen Vorträgen, wie zuletzt in meinem Beitrag zur Ringvorlesung in Innsbruck, rekonstruiere ich, basierend auf den Ergebnissen meiner Dissertation, wie sich das Mensch-Tier-Bild der Aufklärung entwickelt hat. Tiere als Sachen, im Gegensatz zu Menschen als Personen, bestimmen die juristische Praxis heute. Tierschutz ist dann der Versuch, das Eigentum Tier gegenüber seinem Eigentümer Mensch zu schützen, obwohl das Eigentumsrecht nach dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch dem Eigentümer eben das Recht einräumt, mit seinem Eigentum nach Belieben umzugehen, frei darüber zu verfügen oder es auch zu vernichten.

Den Kern dieser Einstellung zu Tieren bildet die cartesische Sicht, dass nichtmenschliche Tiere nur Automaten seien, ohne jedes begleitende bewusst erlebte Gefühl. Kippt diese Voraussetzung, dann müsste sich auch die juristische Stellung von Tieren ändern. Eigentlich, so möchte man meinen, ist diese Ansicht schon längst obsolet. Doch immer wieder treffe ich sogar UniversitätsprofessorInnen bei Podiumsdiskussionen insbesondere zu Tierversuchen, die z.B. Ratten rundheraus das Bewusstsein absprechen. Meine Dissertation konzentrierte sich darauf, die naturwissenschaftlichen Beweise für Bewusstsein bei nichtmenschlichen Tieren zusammen zu tragen. Das war 2005.

Am 7. Juli 2012 erhielt ich diesbezüglich Unterstützung von den TeilnehmerInnen der Francis Crick Memorial Conference in Cambridge in England. Die Anwesenden waren führende WissenschaftlerInnen im Bereich der kognitiven und computergestützten Neurowissenschaften, Neuropharmakologie, Neurophysiologie und Neuroanatomie. Bis auf einen haben sie alle ihr Wissen über Bewusstsein aus ihrer praktischen Arbeit im Labor und nicht aus Freilandbeobachtungen von Tieren erhalten, also zum guten Teil aus Tierversuchen. Und trotzdem erklärten sie feierlich, an die Öffentlichkeit gewandt, dass nach allen Kriterien der Naturwissenschaft nun die Existenz von Bewusstsein bei nichtmenschlichen Tieren nicht mehr bestritten werden kann:

The absence of a neocortex does not appear to preclude an organism from experiencing affective states. Convergent evidence indicates that non-human animals have the neuroanatomical, neurochemical, and neurophysiological substrates of conscious states along with the capacity to exhibit intentional behaviors. Consequently, the weight of evidence indicates that humans are not unique in possessing the neurological substrates that generate consciousness. Nonhuman animals, including all mammals and birds, and many other creatures, including octopuses, also possess these neurological substrates.

Diese Erklärung wurde sogar von Stephen Hawking unterschrieben, einem bekennenden Positivisten, der zu meiner Zeit an der Universität Cambridge noch Tierbewusstsein gegenüber sehr skeptisch war und meine Tierschutzaktivitäten missbilligte.

Wenn jetzt noch jemand behaupten will, (zumindest Wirbel-)Tiere hätten kein Bewusstsein, dann liegt die Beweislast bei ihm/ihr. Unsere Aufgabe wird es sein, die GesetzgeberInnen zu veranlassen, daraus die Konsequenzen zu ziehen.

Nähere Infos zu Konferenz und Deklaration, inklusive Medienberichten, hier:

http://fcmconference.org/

3 Gedanken zu “Cambridge Declaration: Tiere haben Bewusstsein

  1. Schön zu vernehmen, dass sich die offizielle Wissenschaft dazu durchgerungen hat. Ich schätze das Wissen der Gelehrten auf ihren jeweiligen Gebieten sehr, diesem gilt meine große Anerkennung. Andererseits wird jedoch auch deutlich, dass für eine Gesamtschau, eine Annäherung an die Wirklichkeit, ein holografisches Denken und damit das Zusammenführen verschiedener Gebiete, Spezialisierten aufgrund der Tiefe ihres eigenen Gebietes fehlt. Dass sogar und ganz besonders ein Stephen Hawking, dessen Aussagen viele (blindlings?) folgen, sich erlaubt zu sagen, Gott sei tot (wobei die wenigsten eine Vorstellung haben, was ES über alle selbstgesetzten Grenzen hinaus wirklich ist), mag aussenfixierte Teilchenversessene zufriedenstellen, keineswegs aber solche Forscher, die das Bewusstsein nicht als Eigenschaft sondern explizit als eigenständigen Faktor miteinbeziehen. Es gibt nicht nur auf der Quantenebene verblüffende, reale Phänomene, die akausal zeigen, dass das Sein weit mehr ist als nur ein auf Teilchen/Biochemie extern Reduziertes. Es klingt wie aus dem Mittelalter, wenn Wissenschaftler darüber debattieren, ob Tiere ein Bewusstsein haben. Wie nimmt ein Embrio die Welt wahr? Wie nimmt ein Baum die Welt wahr? Wie nimmt eine Zelle die Welt wahr? Das sind fortschrittliche Fragen, deren Antworten nicht an der Wirklichkeit rütteln sondern am Vorstellungsvermögen des Beobachters.

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