28. März 2024

Meine wechselnde Perspektive auf die Jägerschaft

Als Teenager schon ging ich mit großer Begeisterung in den Wald und über die Berge. Damals vor 40 Jahren waren konfrontative Begegnungen mit JägerInnen wirklich Alltag. Ein Jäger im Wienerwald schrie mich an, weil die Abenddämmerung schon eingesetzt hatte und ich noch immer unterwegs war, ein anderer bedrohte in Annaberg meine Mutter und mich um 15:30 Uhr auf einer Forststraße mit dem Gewehr, weil wir seinen Hirsch vertrieben hätten, wiederum andere entfernten einfach die Markierungen auf Wanderwegen wie z.B. auf das Hennesteck bei Mariazell, oder sie verboten das Weitergehen auf Forststraßen weil es sich um eine Jagdsperre handle usw. Meine zunehmende Ablehnung und richtige Allergie gegen alles, was mit der Jagd zu tun hatte, führte mich schließlich dazu, in England 8 Jahre lang im Vorstand der Hunt Saboteurs Association aktiv zu sein. Zweimal pro Woche konfrontierte ich JägerInnen vor allem bei Hetzjagden, aber auch bei den Schüssen auf gezüchtete Moorhennen im englischen Hochland oder auf Fasane in East Anglia.

Die Jägerschaft präsentierte sich nach außen als ein Monolith im Schulterschluss. Es schien, dass alle unisono die größten Absurditäten unterstützten, wie Abschüsse in Jagdgattern – dafür gab und gibt es genug Anzeigen in Jagdzeitschriften – oder die Trophäenjagd in Afrika – auf jeder Jagdmesse wird derlei massiv angeboten!

Doch vor 2 Jahren begann sich das zu ändern. Plötzlich stand mir ein Jäger gegenüber, der mit nicht weniger Abscheu als ich die Gatterjagd verurteilte. Ich traf Menschen, denen die Natur und der Wald ein richtiges Anliegen war, und für die der Abschuss von Tieren ausschließlich der Erhaltung eines ökologischen Gleichgewichts galt. Zeit für mich, umzudenken.

Es ist ein gewaltiger Unterschied, ob ich Zeit und Geld investiere, um zig tausende Tiere zu züchten und abzuballern, bzw. um Abschüsse auf besonders große Trophäenträger zu kaufen, oder ob ich den Wald beobachte und nur jene Paarhufer schieße, die keine natürlichen Feinde mehr haben. Ja, natürlich, ich bin weiterhin der Meinung, dass Tiere ein Recht auf Leben haben und dass wir im Konfliktfall gewaltfreie Lösungswege finden müssen. Aber so wie Intensivtierhaltung und Freilandhaltung einen himmelhohen Unterschied ausmachen, so liegen die Trophäenjagd und die Ökojagd bzw. Ultima-Ratio-Jagd meilenweit auseinander. IntensivtierhalterInnen und Trophäen- oder GatterjägerInnen halte ich für politische GegnerInnen, aber FreilandhalterInnen und ÖkojägerInnen könnten Verbündete sein, um reale Änderungen in dieser Welt zu erreichen.

In Sachen Tierschutz war ich immer schon Realist und Pragmatiker. Ich möchte reelle Lösungswege und Alternativen, die auch wirklich im großen Stil in absehbarer Zeit umsetzbar sind und uns einen großen Schritt in Richtung Tierbefreiung weiterbringen. Es reicht mir nicht, gegen alles zu sein. Ich möchte an einer besseren Welt mitbauen und sie mitgestalten. Und ich möchte Fortschritte erreichen. Das bedeutet oft auch in den Morast der Kompromisse zu steigen und sich vor dem Schmutz nicht zu scheuen.

In unserer Kampagne für ein Verbot der Jagd auf Zuchttiere arbeiten erstaunlich viele JägerInnen mit. Sie helfen mit Informationen, mit Expertisen und mit öffentlichen Statements. Ja, sie unterstützen mich sogar bei den Verhandlungen mit den politisch Verantwortlichen. Das ist echt eine neue Qualität im konstruktiven Dialog. Nie hätten mich bei unseren Kampagnen gegen Legebatterien und Kastenstände z.B. FreilandhalterInnen begleitet und gegen die Intensivtierhaltung gewettert. Ich finde das mutig und beeindruckend. Eine neue Ära ist angebrochen, es gibt ein Umdenken in der Jägerschaft, das ist von allen Seiten zu spüren. Vielleicht gelingt es uns, die gesamte Jagdpraxis von Trophäenkult und leeren Ritualen hin zu Ökologie und Tierschutz zu bewegen. Das wäre einen Versuch wert!

8 Gedanken zu “Meine wechselnde Perspektive auf die Jägerschaft

  1. Da stimme ich nicht zu 100 Prozent zu. Man braucht überhaupt keine Jäger, die Wildtiere abknallen, nicht mal für die, die keine natürlichen Feinde mehr haben.

    Die Jagd zerstört die sozialen Familienverbände und die Tiere werden frühzeitig geschlechtsreif. Normalerweise passen die Leittiere auf, damit sich ihre Familie nicht zu stark vermehrt. Aber wenn die Alphatiere erschossen werden, lösen sich die regulierenden Sozialstrukturen auf, die Tiere wandern umher, gründen neue Familien und zeugen jede Menge Nachwuchs. Auch Krankheitskeime werden so in die neuen Verbände mitgenommen, wodurch sich früher auch Tollwut schneller ausgebreitet hat. Erst durch tierfreundliche Impfköder konnte die Tollwut ausgemerzt werden.

  2. @jo

    Da gebe ich Ihnen 100 % Recht! Es ist wirklich unglaublich, was an Jagdabfall im Wald herumsteht und herumliegt. Jagdzäune, die dazu dienen, das angefütterte Wild nicht ins Nachbarrevier zu lassen, bleiben über Jahrzehnte stehen und gefährden Tier, Mensch und Umwelt. Alte, verfallene Jagdstände sieht man überall. Und im Nationalpark Seewinkel habe ich nach einer Jagd auf Wildgänse sämtliche Schrotpatronenhülsen herumliegen gesehen. Sebst im Nationalpark kümmerten sich weder die zahlenden Jagdgäste noch der heimische Jagdaufseher um den entstandenen Müll!

    1. Wenn mir so ein “Objekte” bes. ins Auge sticht, mach ich mir die Mühe u. sende eine Nachricht mit Fotos an die betreffende Gemeinde / Bürgermeister – sachlich – ohne abfällige Komentare über die Jagd.
      Mit dem “Maximalergebnis” das der Grundbesitzer aufgeforderet wird den Müll zu beseitigen.
      Aber meistens gibt es auf solche Nachrichten 0,0 Reaktion.

      Man sollte der Jägerschaft aber schon vermitteln, dass man keineswegs eine “Lizenz” zur
      Müllentsorgung im Wald hat – dass nicht unbemerkt bleibt, was der “schneidige Jaga” im finstren Wald hinterlässt.

      Der Druck, das Revier sauber von “Jagdmüll” zu halten, sollte aus den eigenen Reihen der Jäger kommen.

  3. Ballade vom Förster und der Gräfin
    Es lebt eine Gräfin in schwedischem Land,
    die war ja so schön und so bleich.
    Herr Förster, Herr Förster!
    Mein Strumpfband ist los, es ist los, es ist los.
    Förster, knie nieder und bind es mir gleich!
    Frau Gräfin, Frau Gräfin, 
    Seht so mich nicht an,
    ich diene euch ja für mein Brot,
    eure Brüste sind weiß, 
    doch das Handbeil ist kalt, es ist kalt, es ist kalt.
    Süß ist die Liebe, doch bitter der Tod.
    Der Förster, der floh in der selbigen Nacht
    Er ritt bis hinab zu der See,
    Herr Schiffer, Herr Schiffer,
    nimm mich auf in dein Boot, in dein Boot, in dein Boot.
    Schiffer, ich muss bis ans Ende der See!
    Es war eine Lieb zwischen Füchsin und Hahn:
    Oh, Goldener, liebst du mich auch?
    Und fein war der Abend,
    doch dann kam die Früh, kam die Früh, kam die Früh:
    all seine Federn, sie hängen im Strauch!
    (Text: B. Brecht, vertont von P. Dessau)

  4. Was mich zusätzlich am Verhalten der Jägerschaft stört, ist das viele sog. jagdliche Einrichtungen (Hochstand, Ansitz, Hütten, Fütterungen, …) wenn baufällig geworden, nicht gesetzmäßig entsorgt werden. Alle möglichen Baustoffe (Bitumenteerpappe, Dachplatten, Eternitplatten, Styropor, Plastikplanen, Pvc – Boden, Teppiche, Pu – Schaum, Glas, …)
    gammeln in den Waldboden. Bei jeder dieser Ruinen, liegen Bretter u. Balken mit nach oben stehenden, rostigen Nagel / Schraubenspitzen. Kilometerlange halb umgefallene,verrostete Zäune (wie Fallen) von aufgelassenen Jagdgattern werden nicht entfernt …

    Den Wanderer u. Tourengeher weist man drauf hin keinen Mist zu hinterlassen u. den Lebensraum der Tiere zu achten. Für den Jäger selbst gilt das anscheinend nicht.

    Für dieses “Brauchtum” fehlt mir jedes Verständnis.

  5. Es geht mir ähnlich mit den Jägern in Ostgrönland, auch ich habe dort gelernt, dass Jagd nicht gleich Jagd ist. Und man nicht alle indigenen Völker deswegen verurteilen darf. ich habe mir viele Gedanken zu dem Thema gemacht, die es in Kürze auch auf meinem Blog zu lesen gibt. http://robinhoodsblog.com/ Und irgendwann als Buch.

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