19. April 2024

Neuer Termin für Verfassungsbeschluss Tierschutz: 4. Juni 2013

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Ständige Proteste seit vielen Monaten drängen die ÖVP dazu, endlich einem vernünftigen Wortlaut für eine Staatszielbestimmung Tierschutz zuzustimmen

Der Konflikt um die Staatszielbestimmung Tierschutz zieht sich wie ein Strudelteig. Nach ständigen Protesten, zahlreichen Protestemails besorgter BürgerInnen, dem Drängen der TierschutzsprecherInnen der Opposition und einem weiteren Präsidialbeschluss, endlich einen Unterausschusstermin festzulegen, einigte man sich auf den 6. Mai 2013. Doch der Tag verstrich ungenutzt, es gab keine Sitzung. Dafür wurde ein Termin für ein informelles Treffen der ReferentInnen der Parlamentsparteien im Verfassungsausschuss für den 15. Mai vereinbart. Dort waren alle Parteien bereit, den 4. Juni zu einem neuen fixen Sitzungstermin zu erklären, außer die ÖVP, die das von einer vorhergehenden Einigung abhängig machen wollte.

Jetzt nähert sich dieser neue Termin, der 4. Juni, mit Riesenschritten. Heute sprach eine Tierschutz-Delegation, an der ich beteiligt war, beim Verfassungssprecher der ÖVP, Wolfgang Gerstl, im Parlament vor. Dieser wollte sich aber auf nichts festlegen lassen. Insbesondere gab er zu verstehen, dass er den Streit um den konkreten Wortlaut der angepeilten Staatszielbestimmung nicht öffentlich machen wolle, bis eine 2/3-Mehrheit im Ausschuss, also eine 3-Parteien-Einigung, im Vorfeld abgesprochen ist. Erst dann, so Gerstl, werde die ÖVP einer Unterausschusssitzung am 4. Juni zustimmen. Doch er sei zuversichtlich, dass sich eine Einigung bis dahin ausgehen werde.

Die konkrete Staatszielbestimmung für Tierschutz orientiere sich, so der ÖVP-Verfassungssprecher, an der Staatszielbestimmung für Umweltschutz. Das  Bundesverfassungsgesetz vom 27. November 1984 über den Umweltschutz lautet:

§1 (1) Die Republik Österreich (Bund, Länder und Gemeinden) bekennt sich zum umfassenden Umweltschutz.

 (2) Umfassender Umweltschutz ist die Bewahrung der natürlichen Umwelt als Lebensgrundlage des Menschen vor schädlichen Einwirkungen. Der umfassende Umweltschutz besteht insbesondere in Maßnahmen zur Reinhaltung der Luft, des Wassers und des Bodens sowie zur Vermeidung von Störungen durch Lärm.

Hier wäre es wichtig, die ÖVP daran zu erinnern, dass die Staatszielbestimmung für Tierschutz ein Bekenntnis zum umfassenden Tierschutz enthalten muss. Absatz (2), der diesen umfassenden Tierschutz definiert, sollte sich wortgleich an § 1 Tierschutzgesetz orientieren: Tierschutz ist der Schutz des Lebens und Wohlbefindens der Tiere aus der besonderen Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf. Wer das der ÖVP mitteilen möchte, erreicht ÖVP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl unter wolfgang.gerstl@wien.oevp.at oder unter http://www.tierschutz-in-die-verfassung.at/protestmail.php?empfaenger=3.

Die österreichische Verfassung enthielt zunächst ab 1867 bis zum Ende des 2. Weltkriegs einen Grundrechtskatalog aber keine Staatszielbestimmungen. Diese wurden erstmals mit dem Bekenntnis zur immerwährenden Neutralität 1955 eingeführt. Seitdem sind einige weitere dazugekommen, so ein Bekenntnis zur Gleichbehandlung von Mann und Frau, ein Bekenntnis zur umfassenden Landesverteidigung, ein Bekenntnis zur Gleichbehandlung von Behinderten und vieles mehr, wie z.B. obiges Bekenntnis zum Umweltschutz. Sehr wertvoll und oft in der Praxis hilfreich sind Staatszielbestimmungen mit möglichst konkretem Inhalt. Die Gleichbehandlung von Mann und Frau wäre dafür ein Beispiel, damit wurden schon viele Ungleichbehandlungen durch den Verfassungsgerichtshof aufgehoben. Es wäre daher wichtig, jetzt noch, in der Phase der Verhandlungen über die Ausformulierung der Staatszielbestimmung Tierschutz, auf eine möglichst konkrete, weitreichende und praxisrelevante Formulierung zu drängen. Ich möchte also alle LeserInnen bitten, dies in den nächsten Tagen auch zu tun. Das könnte die Weichen für die Tierschutzarbeit der nächsten Jahre und Jahrzehnte stellen!

8 Gedanken zu “Neuer Termin für Verfassungsbeschluss Tierschutz: 4. Juni 2013

  1. Das ist doch alles eine Farce bzw. List. Mit der Formulierung der Produktion tierlicher Lebensmittel in die Verfassung bekommt der Staat die Möglichkeit, Aktionen von Tierrechtlern gegen Tierhaltungsmissstände (Besetzungen und ähnliches) als Straftaten gegen die Verfassung zu brandmarken. Da wird auch eine Tierschutzklausel in der Verfassung nichts bringen. Mich würde interessieren, ob das Verfassungsrechtler auch so sehen.

  2. Gratulation!
    Die Republik Österreich (Bund, Länder und Gemeinden) bekennt sich zum Tierschutz. (…)

    Das ist doch was! Großes. Es hätte auch anders kommen können und andere vormals vorangestellte Themen hätten bevorzugt werden können ohne Tierschutzerwähnung; was wäre dann gewesen? Jedem ist bewusst, dass es, mit welcher Formulierung auch immer, ein Zurücklehnen nicht gibt.

    Paragraph 5 ein elementarer Ansatz der autonomen Selbstversorgung auch in Richtung (zukunftsvisionär) gesunde Tierhaltung ohne elendslange Tiertransporte?
    Wie wichtig Pflanzenvielfalt, Saatgutschutz
    Wasserschutz ist kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden, so sehr ausformuliert ist es auch nicht, das Wichgste aber ist verankert, z.B. Wasser bleibt Staatseigentum und wird entgegen EU Ansinnen nicht privatisiert.
    http://www.tt.com/%C3%9Cberblick/Politik/6622192-6/wasser–und-tierschutz-kommen-in-die-bundesverfassung.csp

    Die Grundlagenforschung ist sehr vom mechanistischen Weltbild geprägt. Dass sich auch unser Weltbild verändern kann ist längst keine Frage mehr der Beweise, sondern eine Frage einer Bereitschaft, der Motivation und neuen Perspektiven. In guten Diskussionen, die offenbar gar nicht gewollt sind und unterbunden werden, geraten aus verschiedensten Gründen blockierfreudige Skeptiker in Beweisnot, natürlich vorausgesetzt sie lassen in Aufnahmebereitschaft und großer Bereitschaft Altes neu zu überdenken die Diskussionspartner umfassend das erörtern, was zu erörtern ist.

  3. Habe mir den Antrag jetzt durchgelesen und bin entsetzt:
    http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/A/A_02316/fnameorig_305743.html
    In Paragraph 2 nur eine allgemeine und unbedeutende Erwähnung zum Tierschutz, dafür wurde in Paragraph 5 & 6 nun das Schicksal von Nutz- und Versuchstieren in “Stein gemeiselt”.
    Da verstehe ich die Grünen, dass sie bei solchen vagen Formulierungen nicht mitmachen. Der ganze Antrag trägt wieder einmal eindeutig die Handschrift der “umwelt- und tierliebenden” ÖVP. Meine anfängliche Freude ist mittlerweile herber Enttäuschung gewichen. In dieser Formulierung finde ich es, zumindest was die Tiere betrifft, keinesfalls als Verbesserung.

  4. Heute auf Ö1 im Morgenjournal war Tierschutz in die Verfassung eines der Themen:
    http://oe1.orf.at/artikel/341089

    Der Verfassungsrechtler Mayer hat das Vorhaben zerpflückt und die Grünen fühlen sich von Rot, Schwarz, Blau übergangen und wollen dem Antrag nicht zustimmen. Trotzdem, ein erfolgreicher Abschluss ist zum Greifen nahe, vor allem jetzt, wo die Medien bereits aufgesprungen sind gibt es ja kaum mehr ein Zurück.

  5. Congratulations!

    Bei den Ausführungsbestimmungen des Tierschutzgesetzes ist mit dieser neuen Grundlage sicher in Zukunft einiges möglich.

    Ich bin gespannt, was Ihr daraus macht.

  6. Vermutlich bedeutet das, dass es am 4. Juni zu einer Unterausschusssitzung kommen wird!
    PS: die TierschutzsprecherInnen von FPÖ (!) und Grünen wurden beide von dieser Aussendung überrascht!

  7. Die APA hat heute abend eine Aussendung rausgeschickt, dass es am Rande des Plenums im Nationalrat zu einer Einigung von SPÖ. ÖVP und FPÖ gekommen sei. Tierschutz wird jetzt mit folgender Formulierung in die Verfassung aufgenommen: “Die Republik Österreich bekennt sich zum Tierschutz.”

    Siehe:
    http://derstandard.at/1369264163621/Nationalrat-Wasser–und-Tierschutz-bekommen-Verfassungsrang
    http://www.orf.at/stories/2183636/
    http://www.tt.com/%C3%9Cberblick/Politik/6622192-6/wasser–und-tierschutz-kommen-in-die-bundesverfassung.csp

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