29. März 2024

Prozesspause nach 34 Prozesstagen

Was für ein Monsterprozess! Wir haben jetzt 34 Prozesstage hinter uns und es gibt eine (zu kurze!) Pause, damit das Gericht die fehlenden Protokolle nachliefern kann. Von den 34 Prozesstagen gibt es nämlich bisher nur 5 Tage, die protokolliert sind. Ein Tag im Protokoll hat 110 Seiten! Ein Monsterprozess in jeder Hinsicht.

Erst heute, 8 Tage nach dem letzten Prozesstag, habe ich innerlich realisiert, dass es jetzt eine Pause gibt. Endlich fühl ich mich etwas leichter und kann an andere Dinge denken. An dieser Stelle möchte ich mich bei allen Menschen wieder einmal bedanken, die mich unterstützen, die mich aufbauen und die mir durch diese Zeit hindurch helfen. Danke!

61 Personen sind bisher einvernommen worden und 10 davon müssen noch einmal kommen, weil sie nicht fertig geworden sind. Die Staatsanwaltschaft hat aber 119 ZeugInnen der Anklage aufgerufen, d.h. allein bzgl. der ZeugInnen der Anklage sind wir noch nicht einmal in der Hälfte dieses Prozesses. Dann folgen aber noch die ZeugInnen der Verteidigung und da stehen etwa 300 (!) aus. Es darf also nicht verwundern, wenn dieser Prozess noch bis ins Jahr 2011 hinein reicht. Das bedeutet aber, 1 Jahr lang 3 Mal pro Woche den ganzen Tag vor Gericht sitzen, von der Anreise gar nicht zu sprechen. Es bedeutet, 1 Jahr lang permanent um das eigene Leben zu kämpfen. Mir scheint, dass das schon jetzt den meisten Angeklagten zu viel ist, und sie nehmen geistig nicht mehr an diesem Prozess teil und stellen keine Fragen mehr, sondern lassen das alles einfach über sich ergehen. Auch eine Methode des Staates, Menschen zu vernichten, die ihm zu sehr „auf die Nerven“ gegangen sind.

Ich werde oft gefragt, wie ich meine, dass der Prozess so läuft und wie er ausgehen wird. Das Urteil hängt letztendlich an einem einzigen Menschen, und in diesen kann und will ich nicht hineinschauen. Aber von unserem Standpunkt aus läuft dieser Prozess sehr gut. Es stimmt schon, dass man uns PolizeischülerInnen als ZuschauerInnen vorsetzt, um uns die Solidarität der Öffentlichkeit zu nehmen. Und dass uns das Gericht meistens unterbricht, keine Fragen stellen lässt, oder sogar mit der gewaltsamen Entfernung aus dem Gerichtssaal bedroht. Aber wir haben uns in meinen Augen trotz aller Widrigkeiten durchsetzen können. Wir haben gesagt, was zu sagen war. Wir haben die Lügen aufgedeckt, die die SOKO gegen uns vorgebracht hat. Und wir sind damit noch lange nicht am Ende. Wahrscheinlich Ende Juli und dann im September werden die SOKO-Mitglieder vor Gericht sitzen. Und da ich weiß, dass sie hier mitlesen, kann ich gleich eine Botschaft an sie richten: Ich habe bereits Tausende Fragen für Euch bereit, Fragen, die Euer hinterhältiges Vorgehen publik machen werden. Ich freue mich schon darauf, Euch diese Fragen stellen zu können.

Der Prozess hat sicher auch sein Gutes. Mit jedem Prozesstag wird die Anklage noch absurder, wenn ich zu den Büchern gefragt werde, die ich lese, oder wer meine letzten Sexualpartnerinnen waren oder ob ich diesen oder jenen Artikel in öffentlichen Zeitschriften geschrieben habe, wie z.B. im Tatblatt.

Bei der von der ÖH am 22. Juni organisierten Podiumsdiskussion an der Uni Wien habe ich die Runde gefragt, ob sie mittels §278ff z.B. eine Zeitschrift wie das Tatblatt verbieten will. Nein, natürlich nicht, kam unisono zurück, auch vom Justizsprecher der SPÖ. Das Tatblatt wird aber von der Richterin in unserem Prozess massiv kriminalisiert.

Ich habe auch die Runde gefragt, ob sie das, was uns der Staatsanwalt im Tierschutzprozess vorwirft (auch wenn es nicht stimmt), mit §278a kriminalisieren wollte. Es wird uns ja nicht vorgeworfen, eine Straftat geplant oder begangen zu haben, sondern es wird uns vorgeworfen, legale Kampagnen geführt zu haben, und dabei gehofft oder förmlich erwartet zu haben, dass uns unbekannte Personen diese legale Kampagne mit Straftaten unterstützen würden. Wie gesagt, dieser Vorwurf stimmt gar nicht, aber selbst wenn er stimmen würde, so antwortete das Podium, sollte das nicht kriminalisiert werden. Aber etwas anderes ist nicht Thema in diesem Prozess, jedenfalls bei den Angeklagten, die nur wegen §278a angeklagt sind.

Deshalb muss §278a reformiert werden. So etwas darf nicht strafbar sein. Und darin setze ich meine größte Hoffnung, dass §278a im Herbst entschärft und das neue Gesetz am 1. Jänner 2011 in Kraft treten wird. Wir, die wir um die Zukunft unserer Demokratie fürchten, sollten uns gemeinsam mit aller Macht dafür einsetzen, dass es auch wirklich so weit kommt.

5 Gedanken zu “Prozesspause nach 34 Prozesstagen

  1. Wir sollten nie vergessen, was Camus über den Mythos des Sisyphos geschrieben hat, wenn wir unterdrückt werden.

    Gerade im Durchhalten liegt der unerschütterliche Triumph, den uns niemals jemand nehmen kann – selbst bei der schlimmsten Verdammung kann uns niemand daran hindern das Beste aus dem zu machen, was wir haben. – Was auch immer das sein sollte.

    Wer sich engagiert, erreicht vielleicht nicht, wofür er sich einsetzt. Wer es gar nicht erst nicht versucht, erreicht es garantiert nicht.

  2. Hallo Martin

    Ich habe den VGT glaube ich mal irgendwo in Deutschland im Rahmen einer Demo kennen gelernt (Ihr habt dort einen Infostand gemacht). Ich war etwas irritiert, weil ich Euch als Tierschützer eingeordnet habe und mich fragte was Ihr auf einer Tierrechtsdemo zu suchen habt. In Deutschland gibt es ja diesen wichtigen begrifflichen Unterschied zwischen “Tierrechtler” und “Tierschützer”. Letztere sind bei uns jene, die fleißig Kuscheltierschutz betreiben und auf ihren Tierheimfesten fröhlich Schweinshaxn fressen, und dementsprechend unter Tierrechtlern kein besonders hohes Ansehen genießen. Also nicht so toll wenn man in Deutschland als Tierschutzverein eingeordnet wird. 😉

    So absurd und schrecklich dieser ganze Prozess auch ist, so hat er zumindest etwas Positives erreicht: Ich weiß nun durch das aufmerksame Verfolgen des Tierschutzprozesses was der VGT macht, wofür er steht, wie er arbeitet und vor allem wie bewundernswert und wie erfolgreich diese Arbeit ist!

    Ich war früher auch einer von den Hardlinern, einer von den “Ganz oder gar nicht!”-Menschen; ich wäre nie auf die Idee gekommen “nur” für größere Käfige zu kämpfen. Die Erfolge, die mit legalen Kampagnen in Österreich in Sachen Tierschutz errungen wurden, haben mich jedoch eines besseren belehrt. Ich habe verstanden, dass die Gesellschaft einen Umdenkprozess vollziehen muss, und dass dieser sich nicht von heute auf morgen und schon gar nicht mit Gewalt (die ich zwar nie selbst angewendet hätte, aber durchaus befürwortete) bewirken lässt.

    Bleibt der Wunsch Euch irgendwie helfen zu können! Ich glaube mittlerweile nicht mehr, dass es zu einer Verurteilung kommt – zu einer rechtswirkamen schon gar nicht. Wenn doch würde ich empfehlen als politisch verfolgte in einem anderen Land um Asyl zu bitten.

    Zu Dr. Plank: Kann man da nicht mal ein psychiatrisches Gutachten beantragen?

    Vielleicht findet ja der ein oder andere der Angeklagten Zeit am 17. Juli zum Veggie-Street-Day nach Stuttgart zu kommen (www.veggie-street-day.de), um ein Bad in uneingeschränkter Solidarität zu genießen. Wir würden uns freuen Euch auf diese Weise etwas Gutes tun zu können!

    Liebe Grüße, viel Kraft und Stärke wünscht
    die fleißige Mitleserin

  3. Lieber Martin,
    ich nehme die Pause zum Anlass, Dir und den Mitangeklagten meine volle Solidarität auszudrücken. Habe das Theater von Beginn an anhand der Prozessberichte verfolgt und bin über das Ausmaß der Absurdität einfach schockiert. Ich wünsche Euch alles Gute und vor allem Dir viel Erfolg, die Machenschaften von Polizei und Justiz in diessem Prozess weiterhin zu entlarven!

  4. Lieber Martin!
    Freue mich total dass du trotz allem so positiv denkst, und dich nicht unterkriegen lässt! Weiter so, ihr schafft das!!!

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