19. März 2024

Schadensersatz Verteidigungskosten Tierschutzprozess ABGELEHNT: ich muss € 41.600 zusätzlich zahlen!

Nach unseren Erfolgen im Tierschutz, Pelzfarmverbot 1998, Wildtierverbot im Zirkus 2002 und dem Verbot von Legebatterien ab 2005, war ein deutlicher Gegenwind von Repression zu spüren. Plötzlich ging ein Brief vom Unterrichtsministerium an alle Schulen, dass wir nicht mehr eingeladen werden sollen, um vor den SchülerInnen zu sprechen. Der Innenminister nannte uns öffentlich gewalttätig und in der Steiermark wurde ein allgemeines Demonstrationsverbot für Tierschutz erlassen. Parallel dazu löste das Amt für Terrorbekämpfung eine Steuerprüfung des VGT aus. Es hatte den Verdacht, dass wir durch die Zusammenarbeit mit der Eierkontrollstelle für richtige Kennzeichnung von Freilandeiern und durch den Verkauf von “zu vielen” T-Shirts die Gemeinnützigkeit verlieren müssten. Dass sich die Terrorbekämpfer für so etwas interessieren, alarmierte mich bereits so sehr, dass ich alle Welt und auch den Bundespräsidenten um Hilfe bat. Hier würde, so meine Befürchtung, etwas gegen uns in Gang gesetzt, was jeder Verhältnismäßigkeit widerspricht. Es kam ein Brief von Bundespräsident Fischer retour, in dem er sich lediglich über mich lustig machte.

Ohne unser Wissen nahm dann ein Staatsanwalt in Wr. Neustadt ohne jede formale Zuständigkeit im Oktober 2006 Ermittlungen gegen den VGT wegen Bildung einer kriminellen Organisation auf. Und zwar BEVOR noch die Kampagne gegen den Pelzverkauf bei Kleider Bauer überhaupt begonnen hatte. Im April 2007 beschwerte sich der Kleider Bauer Chef beim Innenminister, dem heutigen Landeshauptmann von Tirol Günther Platter, der uns völlig haltlos als gewalttätig bezeichnet hatte, aber dafür als Amtsträger nicht geklagt werden konnte, über uns, wir würden dem Image der Firma schaden. Platter veranlasste sofort eine Sondersitzung der gesamten Polizeispitze und gründete umgehend eine Sonderkommission, eine SOKO Tierschutz, bestehend aus 35 BeamtInnen aus der Mordkommission und der Spurensicherung, und das Unheil nahm seinen Lauf. Insgesamt mindestens 3 Spitzel wurden gegen uns in Stellung gebracht, darunter eine mit dem Decknamen “Danielle Durand”, die 19 Monate bei uns blieb und 4 Tage pro Woche in unserem Büro verbrachte und mit mir zusammen nächtliche Recherchen durchführte und vieles mehr. Daneben gab es monatelange Observationen, 12 Videokameras vor Hauseingängen, einen GPS-Tracker an meinem Auto, Überwachung von Emails, Telefonen und Bankkonten, und sogar einen großen Lauschangriff mit einem Mikrophon im Schlafzimmer. Im Mai 2008 wurde martialisch, maskiert mit gezogenen Schusswaffen und Scheinwerfern, in zuletzt 33 Wohnungen und Büros eingebrochen, um Hausdurchsuchungen durchzuführen. Ich landete mit 9 anderen Personen für 105 Tage in U-Haft. 1 1/2 Jahre später begann ein 14 monatiger Gerichtsprozess, der schließlich mit einem Freispruch endete. Vorwurf: Bildung einer kriminellen Organisation. Evidenz: “radikale” Emails auf einem internen Diskussionsforum mit über 200 Mitgliedern, darunter auch Spitzel “Danielle Durand”, weshalb diese Emails der SOKO überhaupt zur Verfügung standen. Nur, “Danielle Durand” selbst fand gar nichts verdächtig daran. Diese Emails nicht, das interne Forum nicht, unsere Aktivitäten nicht, unsere Treffen, Konferenzen, Workshops nicht, und unsere Aktionen nicht, von denen viele illegal waren und an denen sie teilgenommen hatte, wie z.B. eine Tiertransportblockade. Typische Tierschutzarbeit eben.

Und deshalb beschloss die SOKO schon früh, sämtliche 3 Spitzel und die meisten ihrer anderen Ermittlungsergebnisse, weil in ihrem Sinne negativ, zu vertuschen. Niemand wurde darüber informiert, der Staatsanwalt nicht, sämtliche RichterInnen nicht und die Beschuldigten selbst und ihre AnwältInnen nicht. Ja, der SOKO-Leiter log sogar vor Gericht, als er die Spitzeloperation rundheraus leugnete. So wussten wir auch nichts von den Daten der 5 Monate GPS-Tracker an meinem Auto, von chemischen Analysen im Polizeilabor angeblich verdächtiger Flüssigkeiten und und und, die alle entlastend waren. Dabei forderten wir Akteneinsicht, aber die Polizei verweigerte sie. 3 Mal verurteilten unabhängige Gericht die Polizei, zum Teil mit deutlichen Worten, dass sie uns Akteneinsicht zu geben hat, 3 Mal wurde die Akteneinsicht einfach hinausgezögert, verhindert, sabotiert und NIEMALS gegeben. Soviel zum Rechtsstaat.

Als schließlich doch einiges aufflog, die Spitzel z.B. durch Privatdetektive, die ich eingeschalten hatte, und die chemische Laboranalyse durch eine Polizistin, die aus anderen Gründen im Zeugenstand vor Gericht einvernommen wurde und versehentlich davon sprach, erhielten wir noch während des Prozesses einige Informationen. Aber viel zu spät. Für die Richterin im Tierschutzprozess war das überzeugend: sie brach den Prozess nach Einvernahme von 2 Spitzeln ab, lud keinen einzigen meiner 300 beantragten EntlastungszeugInnen vor und sprach mich und die anderen frei.

Neben 3 Jahren totalem Stress, den mir dieses Verfahren gekostet hatte, blieb ich auch auf € 600.000 Verteidigungskosten sitzen. Der Staat sah keine Veranlassung, mir das zu ersetzen. Selbst schuld, so die Devise. Hätten Sie sich halt nicht verdächtig gemacht. Aber halt, ich war nicht verdächtig. Die SOKO wusste von den Spitzeln, insbesondere von “Danielle Durand”, dass nichts bei uns verdächtig war, auch die angeblich “radikalen” Emails nicht. Die Polizei hat dazu noch zahlreiche andere Schritte gesetzt, um Verdachtsmomente zu kreiieren, wo keine waren, z.B. hat sie einfach das Datum des Brandes einer Jagdhütte (letztlich stellte es sich als Kaminbrand wegen Überhitzung heraus) um 2 Tage verschoben, um es mit meiner Anwesenheit in der Gegend in Übereinstimmung zu bringen. Und deshalb meine Klage auf Schadensersatz. Ich argumentiere, hätte die SOKO von Anfang an, wie es ihre gesetzliche Pflicht gewesen wäre, sämtliche Ermittlungsergebnisse dem Staatsanwalt, den UntersuchungsrichterInnen und der Verteidigung zugänglich gemacht, wäre es nie zu U-Haft, Anklage und Prozess gekommen. Die SOKO ist also Schuld an meinen Verteidigungskosten, sie soll diese via Amtshaftung begleichen.

Doch die Republik Österreich stellte sich voll hinter ihre SOKO-BeamtInnen und deckte sie. Der Chef der SOKO wurde gleich zum Chef des Wiener Landesamts für Verfassungsschutz und Terrorbekämpfung befördert. Und die hochbezahlten AnwältInnen der Republik wendeten ein, mein Anspruch sei bereits verjährt. Wie bitte? Ja, meinten sie, ich hätte ja schon in der U-Haft gewusst, dass ich unschuldig bin und dass mir Kosten entstehen. 3 Jahre Verjährungsfrist bedeuten dann, ich hätte noch vor meinem Freispruch klagen müssen. Jetzt wäre alles verjährt. Die zuständige Richterin vom Wiener Landesgericht für Zivilrechtssachen gab den Anwälten Recht und lehnte meine Ansprüche deshalb ab. Ich berief zum Wiener Oberlandesgericht, das feststellte, dass mein Anspruch nicht verjährt ist. Die Anwälte der Republik, die keine Kosten scheuen, weil sie ja vom Steuerzahler und der Steuerzahlerin finanziert werden, beriefen zum Obersten Gerichtshof. Aber auch der gab mir Recht. Also zurück zum Start.

Dieselbe Richterin, die meine Klage bereits wegen Verjährung abgewiesen hatte, musste also das Verfahren noch einmal führen. Kurz war es, gerade einmal 1 Stunde. Mich wollte sie eigentlich gar nichts fragen, nur widerwillig ließ sie mich reden. Unsere ZeugInnen, wie die Richterin vom Tierschutzprozess und die verdeckte Ermittlerin “Danielle Durand”, lehnte sie ab. Jetzt ist das Urteil da: mir stehe keine Entschädigung zu, weil ich selbst schuld sei. Stattdessen müsse ich ZUSÄTZLICH der Republik Österreich und der Polizei zusammen € 41.600 bezahlen, für ihren Aufwand, den sie hatten, weil ich meine Verteidigungskosten wollte. Denen steht das schon zu, mir nicht. So einfach ist das.

Das Urteil der Richterin ist sage und schreibe 185 Seiten lang. Der Beschluss:

zweitesurteilersteinstanz2zweitesurteilersteinstanz3Für die Begründung durchforstet sie zunächst den Freispruch im Tierschutzprozess. Statt die damalige Richterin als Zeugin einzuvernehmen, wie wir beantragt hatten, versucht sie indirekt aus deren Urteil zu schließen, wie wichtig ihr die zurückgehaltenen Ermittlungsergebnisse – von denen wir vermutlich die Mehrheit bis heute gar nicht kennen – waren. Dabei lässt die jetzige Richterin deutlich durchschimmern, dass sie meint, wir hätten damals wegen Bildung einer kriminellen Organisation im Tierschutz verurteilt werden sollen. Zum Beispiel hier:

zweitesurteilersteinstanz5Immer wieder kritisiert sie damit das damalige Urteil als unverständlich und nicht nachvollziehbar, obwohl das gar nicht ihr Job gewesen wäre. Jedenfalls schließt sie, die zurückgehaltenen Ermittlungsergebnisse, insbesondere der Bericht von Spitzel “Danielle Durand”, seien unwichtig gewesen.

Dann geht sie den Bericht von “Danielle Durand” Seite für Seite durch, betrachtet jeden Eintrag, der sich auf mich bezieht, und schließt jedes Mal, das sei nicht entlastend sondern irrelevant, weil “Danielle Durand” eben nicht tief genug in den VGT eingedrungen sei, um die wahre kriminelle Aktivität zu sehen. Zum Beispiel hier (VE = Verdeckte Ermittlerin, also “Danielle Durand”):

zweitesurteilersteinstanz4

Dabei sagte “Danielle Durand” als Zeugin im Tierschutzprozess, dass sie sehr wohl mein Vertrauen genossen hatte. Immerhin hat sie bei Tiertransportblockaden und 10 (!) Jagdsabotagen mitgemacht, sie war mit mir in der Nacht heimlich recherchieren und nächtlich plakatieren. Und ich habe sie auf dieses interne Diskussionsforum gesetzt, von dem die Emails stammten, die mich so schuldig aussehen ließen, weil sie so “radikal” gewesen wären. Seltam nur, dass “Danielle Durand”, die in dem Forum mitlesen konnte, diesen Eindruck überhaupt nicht teilte. Sie meinte vielmehr, in dem Forum würde hauptsächlich darüber diskutiert, wo man welches vegane Produkt kaufen könne und was davon zu halten sei. Naja, solche Internetforen gab es damals anstelle der heutigen Facebookgruppen.

Die Richterin schließt zuletzt (VE = Verdeckte Ermittlerin, also “Danielle Durand”):

zweitesurteilersteinstanz1

Und damit ist mein Schicksal besiegelt: nicht nur, dass ich auf meinen € 600.000 Verteidigungskosten in einem Prozess, in dem ich wegen bewiesener Unschuld freigesprochen wurde, sitzen bleibe, ich muss jetzt noch einmal € 41.600 zusätzlich an die nette Republik Österreich und jene SOKO bezahlen, die mir das eingebrockt hat.

Bis Freitag läuft die Berufungsfrist. Wir werden Rekurs einlegen. Nächste Station: Wiener Oberlandesgericht.

14 Gedanken zu “Schadensersatz Verteidigungskosten Tierschutzprozess ABGELEHNT: ich muss € 41.600 zusätzlich zahlen!

  1. Was die Qualität der Politik, der Justiz, RAK und Gutachter anbelangt, ist es zu wenig, sich in einem Kommentar zu äußern. Diese kriminelle Freiheit statt Richterverantwortlichkeit treibt die Menschen in den Tod.
    Schon längst sollten wir uns solidarisch zusammenfinden, demonstrieren, Volksbegehren initiieren, nicht wählen und vieles vieles mehr.
    Das Volkbegehren “CETA- TTIP ” klappt ja recht gut, alt und jung pilgern hin, das sollten wir bezüglich Justiz, Polizei etc. auch solidarisch schaffen: das Handling von Global 2000 ist echt gut und professionell, wäre schön, wenn man alle NGOs zusammentrommeln könnte, etwas gegen die innerstaatlichen Missstände zu tun. Wir sollten einen gemeinsamen Nenner finden und aktiv werden.

  2. Schande über Ex-Presidänt Fischer.Hätte ich mir nie gedacht,dass dieser über so viel Hohn und Zynismus verfügt.Das entzaubert ihn zutiefst (naturverbunden,Bergsteiger etc.)und zeigt sein wahres hässliches Gesicht !!!Und was ist mit Dr.Van der B.Er ist ein ehemaliger Grüner.Aber wo bleibt heute der Tier-und Naturschutz bei den Grünen.Politstreitereien und Profilierungssüchte sind wichtiger.Einfach nur beschämend und traurig !!!

  3. Man muss die Motivlage der sogenannten “Obrigkeit” einmal verstehen, diese aber nicht unbedingt tolerieren.
    Der folgende Spruch zeigt auf was damit gemeint ist und soll dieser mithelfen die bestmöglichste Ausrichtung zu finden.
    “Lieber regiert der Staat mit Ungerechtigkeit und ist Herr, als er regiert mit Gerechtigkeit und ist Knecht!”
    So gesehen ist die Haltung des Staates zwar verständlich, muss aber nicht immer hingenommen werden.

  4. Hallo Martin. Ich kenn dich aus Regensburg und wünsch Dir alle universelle Energie, die möglich ist. Les ich da aus der Türkei oder Österreich, unser Nachbarland. Es reicht. liebe Grüße Helmet

  5. So eine Richterin XXXX [bitte nicht ausfällig werden]

    Österreich und die Jusitz erinnert an das 3.Reich, im Jahr 2016. Es ist ein Krimineller Staat, man sollte ihn aus der EU befördern.

  6. Ich war 2008 in Dresden auf dem Welt-Vegetarierkongress. Es waren zu dem Kongress auch Menschen aus Österreich für Vorträge eingeladen. Diese Menschen konnten aber nicht kommen, weil sie in U-Haft gesessen haben. Alle Teilnehmer des Kongresses waren über die Gründe darüber erschüttert. Wenn du die Geschichte aussenstehenden erzählt hast, haben die gesagt: so was gibt es bei uns nicht. Falsch. Ich konnte es zuerst auch kaum glauben. Die Geschichte schien zu filmreif, um wahr zu sein.

  7. Hier stellt sich die Frage, ob die Richterin dumm, korrumpiert oder einfach nur tierschutzfeindlich ist. Wie auch immer die Antwort ausfällt, sie spricht nicht für einen funktionierenden Rechtsstaat.

  8. Wirklich unglaublich.. Hätte die SOKO die Ermittlungsergebnisse nicht vertuscht, wäre der Freispruch viel früher erfolgt. Und nun will man für die Prozesskosten nicht aufkommen.. das kann ja nicht sein. Das erschüttert schon das Vertrauen in die Rechtstaatlichkeit.

  9. Es ist ja nicht nur der immense finanzielle Schaden der hier einer Privatperson zugefügt wurde und scheinbar noch immer wird, sondern auch der große Zeitaufwand der damit verbunden ist, sich immer wieder gegen diese ungerechte Behandlung durch die Justiz verteidigen zu müssen. Dieser Staat und seine Institutionen haben mich mittlerweile völlig desillusioniert, bis hin zu der Marionette eines Ex-Bundespräsidenten. Aber trotzdem: Bitte nicht unterkriegen lassen!

  10. Ich bin fassungslos! Unglaublich, was für Unrecht Ihnen widerfährt und wie nachhaltig man Ihnen schaden will. Nach dem gewonnenen Tierschutzprozess mochte man meinen, es wende sich nun zum Guten. Man hatte den Eindruck, dass nun auch das öffentliche Interesse am Tierschutz gewachsen sei, da man sich medial dem Thema kaum entziehen konnte. Aber was passiert jetzt? Die Tierschützer werden bestraft und nochmal bestraft – fürs Aufmucken. Danke für Ihren Einsatz, den Sie für unsere Gesellschaft leisten. Ich bin überzeugt davon, dass dieses Urteil in der nächsten Instanz wieder gekippt wird, aber was dann? Fängt das Spiel dann wieder von vorne an? Welchen Sinn hat dann das Urteil des Wiener Oberlandesgerichts und Oberster Gerichtshof, wenn deren Urteile wiederum ad absurdum geführt werden? Grotesk! Ich wünsche Ihnen von Herzen alles Gute!

  11. Ja, bitte standhaft weitermachen! Danke für euren aufreibenden Kampf für mehr Demokratie und Durchsetzung von Recht. Geldspende folgt.

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