29. März 2024

Zur Verurteilung des Schlägerpolizisten

Das Urteil in der gestrigen Verhandlung am Landesgericht Graz gegen den Polizisten, der einen Tierschützer brutal niedergeschlagen hatte – Protokoll siehe https://martinballuch.com/schlaegerpolizist-wegen-vorsaetzlicher-koerperverletzung-amtsmissbrauch-versuchter-noetigung-und-verleumdung-verurteilt/ – ist in vieler Hinsicht bemerkenswert. Es ist ganz klar und deutlich, für die 3 Richter blieb keinerlei Zweifel über den Ablauf der Tat und kein Zweifel über die Schuld des Täters. Beim Tierschützer, meinem Kollegen David Richter, wurde dagegen keinerlei Fehlverhalten festgestellt, er habe einfach nur auf seine Rechte bestanden und habe nicht provoziert.

Und trotz dieses klaren Urteils stand in einer zunächst von praktisch allen Medien übernommenen APA-Aussendung einer Journalistin, die im Gerichtssaal gewesen war, wörtlich: Am Stadtrand von Graz trafen im Dezember 2011 zwei Tierschützer und zwei Polizisten aufeinander. Die Situation schaukelte sich so auf, dass schließlich ein Polizist einen der Aktivisten 20 Minuten lang am Boden fixierte. Grund für die Auseinandersetzungen war, dass beide Seiten einander nicht die Personalien bzw. Dienstnummern verraten wollten. Außerdem filmten die Tierschützer die Szenen, was die Polizisten irritierte. Was dann genau geschah, konnte nicht einwandfrei geklärt werden. Auf jeden Fall fielen im Zuge der Streitereien ein Polizist und ein Tierschützer zu Boden, anschließend setzte sich der Ordnungshüter auf den Aktivisten und hielt ihn auf diese Weise am Boden fest.

Liest man diesen Text, gewinnt man das Gefühl, hier seien 2 Streithanseln aneinander geraten. Was passiert sei könne nicht rekonstruiert werden, beide wären in etwa gleich schuldig. Warum dann nur der Polizist verurteilt wurde, empfindet man ja schon richtig als ungerecht. Wie anders hat sich aber die Sache in Wirklichkeit dargestellt! Da war ein Sachverständiger, der ohne jeden Zweifel nachwies, dass der Polizist mit großer Gewalt mit der Faust auf den Hinterkopf des Tierschützers geschlagen hatte. Da wurde vom Gericht festgestellt, dass die beiden Polizisten völlig einseitig gehandelt hatten und die Tierschützer verscheuchen wollten, um ihren JägerfreundInnen behilflich zu sein. Da wurde gesagt, die Polizisten haben rechtswidrig gehandelt, wie sie die Daten der Tierschützer verlangten. Da wurde gesagt, es war ein Amtsmissbrauch, auf Verlangen nicht mit den Dienstnummern heraus zu rücken. Da wurde gesagt, es war eine versuchte Nötigung, den Tierschützer in seinem Recht zu filmen zu behindern. Da wurde gesagt, es war eine erniedrigende und menschenrechtswidrige Behandlung, über 20 Minuten auf dem Tierschützer zu sitzen. Und da wurde gesagt, dass die Behauptung der Polizei, der Tierschützer habe sie attackiert, eine Verleumdung darstellt. In diesem Urteil sagte das Gericht ganz deutlich, der Tierschützer hatte nicht provoziert, wie er die Amtshandlung filmte. Und er hatte nicht provoziert, als er seine Daten nicht herausgab, aber im Gegenzug auf den Dienstnummern der Beamten bestand. Er habe nur seine Rechte geltend gemacht. Der Vorsitzende meinte sogar, wenn er mit seinem Hund im Wald spazieren ginge und ein Polizist wolle seinen Ausweis sehen, würde er ebenso handeln. Die Polizei habe kein Recht dazu, ohne einen Tatverdacht die persönlichen Daten zu fordern.

Warum also schreiben so viele Medien so streichelweich? Warum relativieren sie den Tatbestand? Es gab ein Telefonat mit der verantwortlichen APA-Journalistin. Sie meinte nur, sie habe eben vorsichtig sein wollen. Im Gespräch gewann man das Gefühl, sie hat auf eine Weise geschrieben, dass sie sicher keine Schwierigkeiten mit der Behörde bekommt. Die Angst vor der Polizei geht also so weit, dass man sich nicht einmal von Verurteilungen schlagender Beamter zu berichten getraut? Die Journalistin hatte nicht den Eindruck, den Prozess falsch wiedergegeben zu haben. Vorauseilender Gehorsam also. Gift für jede Demokratie.

Man stelle sich nur vor, ein Tierschützer hätte einen Polizisten niedergeschlagen. Da stünde etwas ganz Anderes in allen Zeitungen. Und die Strafe wäre auch garantiert nicht nur 4 Monate bedingt plus geringer Geldstrafe. Trotz richtungsweisendem Prozessergebnis also ein bitterer Wermutstropfen. Von einer Gleichbehandlung von TierschutzaktivistInnen sind wir noch meilenweit entfernt!

Trotz mehrfacher Klagsdrohung seitens des verurteilten Polizisten gegen alle, die dieses Video vom Vorfall verbreiten, ist es noch immer online:

http://www.youtube.com/watch?v=_suT-qhPadg

9 Gedanken zu “Zur Verurteilung des Schlägerpolizisten

  1. @ Martin Balluch

    Können wir somit davon ausgehen, dass Der Standard zu denjenigen Medien gehört, die den kritisierten APA-Artikel nicht übernommen haben?

  2. @Martin C.
    Ja, die ersten beiden verlinkten Standardartikel stammen von einer Journalistin, die auch vor Ort im Gerichtssaal war. Der Dritte ist von der Redaktion wahrscheinlich aufgrund der APA-Aussendung einmal rasch rausgeschickt worden, daher auch viel schlechter, aber immerhin nicht so stark relativierend.

  3. Die Berichte im Standard lesen sich da schon ganz anders:

    “Sie haben ein unglückliches Temperament”
    http://derstandard.at/1389859925919/Sie-haben-ein-unglueckliches-Temperament

    Urteil gegen Polizisten: Bitte, recht freundlich!
    http://derstandard.at/1389859934837/Urteil-gegen-Polizisten-Bitte-recht-freundlich

    Polizist griff Tierschützer an: Schuldspruch wegen Körperverletzung
    http://derstandard.at/1389859861013/Tierschuetzer-angegriffen-Polizist-der-Koerperverletzung-schuldig

  4. Ist dies die selbe Frau, die damals immer wieder aus dem Gerichtssaal in Wiener Neustadt verwässerte Berichte abgegeben hat, wohl damit sie von möglichst vielen Zeitungen übernommen werden?

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