26. April 2024

Die Einseitigkeit der Behörde gegenüber AktivistInnen

ZirkusdemoIch bin kürzlich in Wien den Grünen Berg hinunter gefahren. Dort hängen am Begrenzungszaun der Straße alle 5 m kleine Tafeln mit der Aufschrift „Plakatieren verboten“. Das war nicht immer so. Also verboten war es zwar schon, dort zu plakatieren, aber die Tafeln selbst haben ihre Geschichte. Und diese Geschichte ist für mich ein sehr gutes Beispiel für die Einseitigkeit der Behörden, wenn es um Aktivismus für Tiere oder Umweltschutz geht.

Alle fühlen sich von Behörden und Gerichten immer unfair behandelt. Ist es nur eine der vielen Verschwörungstheorien, wenn ich behaupte, aus der langen Erfahrung im Umgang mit Behörden eine systematische Benachteiligung von AktivistInnen ableiten zu können? Dabei denke ich nicht an dunkle Mächte, die Einfluss auf die BeamtInnen nehmen. Vielmehr interpretiere ich das so, dass „normale“ BürgerInnen ein innerliches, unbewusstes Vorurteil gegenüber „Störern“ und „Systemverweigerern“ haben, und sich das auf uns auswirkt, wenn unsere Aktivität so aufgefasst wird.

Zurück zu meinem Beispiel. Im Jahr 1999 lief gerade unsere Kampagne gegen Wildtierzirkusse in Österreich auf Hochtouren, im Jahr 2002 sollten wir dann tatsächlich ein bundesweites Verbot erreichen. Auf dem Weg dorthin hielten wir Informationskundgebungen vor den verschiedenen Zirkussen ab. In Wien blieb der größte der damaligen Wildtierzirkusse immer so 5-6 Wochen stationiert. Als Werbung für die Shows wurde massiv plakatiert, u.a. auf der besagten Grünbergstraße. Wir fragten beim Wiener Magistrat nach, ob wir auch Plakate aufhängen dürften, wie der Zirkus, die über das Leid der Zirkustiere informieren. Nein, war die Antwort, auch die Zirkusplakate seien illegal aufgehängt. Aha, meinten wir, warum werden sie dann nicht entfernt? Das würden sie schon, antwortete das Magistrat, aber man sei an Arbeit überlastet und es werde viele Wochen dauern, bevor man dazu komme. Bis dahin würde der Zirkus sowieso die Plakate bereits entfernt haben und so kümmere man sich nicht.

Also beschlossen wir es dem Zirkus gleich zu tun. Wir ließen hunderte Plakate genau derselben Größe, wie die Zirkusplakate, produzieren, aus dem gleichen Material und in gleicher Aufmachung, die aber auf das Zirkustierleid aufmerksam machten. Dann hängten wir sie direkt neben jedes Zirkusplakat, u.a. die gesamte Grünbergstraße entlang, aber praktisch überall in Wien, wo wir Zirkusplakate fanden. Am nächsten Tag waren alle unseren (teuren!) Plakate entfernt, aber die Zirkusplakate hängten immer noch dort. Ein Aktivist hatte Angestellte des Wiener Magistrats bei der Entfernung unserer Plakate beobachtet. Er hatte sie gefragt, warum sie das tun, und sie sagten, die Tierschutzplakate seien illegal. Aber das sind die Zirkusplakate doch auch, meinte der Aktivist. Diese Anweisung käme „von oben“, antworteten die Männer im orangen Arbeitsgewand und fuhren fort unsere Plakate zu beschlagnahmen, aber die Zirkusplakate hängen zu lassen.

Also kontaktierte ich wieder das Wiener Magistrat. Wieso man hier ungleich vorgegangen sei, wollte ich wissen. Laut Verfassung sind alle BürgerInnen vor dem Gesetz gleich. Am Magistrat wollte niemand für das Entfernen unserer Plakate verantwortlich sein. Man arbeite sich eben langsam vor, zuerst die Tierschutzplakate, dann irgendwann die Zirkusplakate, wenn man dazu komme. Also drohte ich mit einer Anzeige wegen Amtsmissbrauch und ließ mein Gegenüber am Telefon wissen, dass ich es ernst meinte. Am nächsten Tag waren auch alle Zirkusplakate verschwunden und seitdem prangen diese Schilder „Plakatieren verboten“ am Zaun der Grünbergstraße.

Warum haben die verantwortlichen BeamtInnen im Wiener Magistrat so eklatant unfair gehandelt? Ich vermute keine Bösartigkeit dahinter. Vielmehr glaube ich, dass die BeamtInnen irgendwo unbewusst die Zirkusplakate als „normal“ und „üblich“, aber unsere Plakate als Störung und „anstößig“ empfunden haben und daher so verschieden darauf reagierten. Als soziale Wesen haben wir Menschen eine starke Tendenz, als sozial adäquat empfundenes Verhalten zu fördern und als gegen das Normale, gegen den Status Quo empfundenes Verhalten zu verhindern. So kommts, dass die Behörden – inklusive Polizei und Gerichte – tendenziell gegen Aktivismus für Tier- und Umweltschutz eingestellt sind. Keine Verschwörungstheorie, kein rein subjektiver Eindruck, der objektiv nicht haltbar ist. So sind wir Menschen eben. Zwar dürfen wir das nicht einfach hinnehmen, sondern müssen es als ungerecht aufzeigen, aber wir können andererseits auch nicht blauäugig naiv erwarten, immer gleichberechtigt behandelt zu werden, auch wenn es unser Recht wäre.

Ein Gedanke zu “Die Einseitigkeit der Behörde gegenüber AktivistInnen

  1. “Ich vermute keine Bösartigkeit dahinter.”

    Das kling naiv. Ich habe logischer Weise keinen Einblick, aber meine Erfahrungen sagen mir, dass Österreich ein durch und durch korruptes Land ist. Eine Frau die “sich auskennt” und die um eine Gemeindewohnung “gekämpft” hat, wie sie sagte, die eine Trafik bekam, weil ihr Mann eine Gallenoperation hatte (die bekommt man normalerweise nicht so einfach), war der Meinung dass in Wien alles NUR mit Korruption geht. Da gibt es keine Zufälle und keine psychische Irritation, aufgrund kultureller Vorbelastung. Dieses Land ist ein Sumpf und es ist egal in welche Partei man schaut. Deshalb wenden sich auch so viele Leute mit Grauen ab und verzichten auf ihr Wahlrecht. Es ist ein Hadern – sagt man in Wien. Es gibt Verschwörungstheorien und es gibt Verschwörungen. Auch genannt Freunderlwirtschaft, Korruption, Parteifreundschaft, ….

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