25. April 2024

Ein historischer Moment: Pressekonferenz mit dem Forstdirektor von Wien

Heute war Pressekonferenz im vegetarischen Restaurant Yamm am Universitätsring in Wien. Heuer habe ich schon einige solcher Events hinter mich gebracht und war dementsprechend wenig nervös. Doch da war dennoch eine Besonderheit des Augenblicks, die ich empfand, die aber an den hektisch um mich hin und her laufenden Menschen vorbei zu gleiten schien. Neben mir wird der Forstdirektor der Stadt Wien sprechen, also der Chef des zweitgrößten Jagdanbieters von Österreich, verantwortlich auch für die Gatterjagd im Lainzer Tiergarten. Zugegeben, der Lainzer Tiergarten ist mit 2500 ha größer als jedes andere Gatter in Österreich und historisch als Jagdrevier des Kaisers gewachsen. Aber auch eine noch so große Länge einer Kette ändert nichts daran, dass der Hund, der daran hängt, ein Kettenhund ist. Da geht es ums Prinzip.

Der Lainzer Tiergarten ist mir schon früh ein Anliegen geworden. Zur Volksschule ging ich in seinem ehemaligen Forsthaus. Später begann ich mit Protesten. Ich habe nicht nur schon einige der großen Treibjagden im Lainzer Tiergarten gestört und dokumentiert, ich habe auch die Forstdirektion mehrmals angezeigt und vor den Eingängen zahlreiche Demonstrationen organisiert. Jetzt sitze ich neben dem höchsten Jäger der stadteigenen Jagdreviere bei einer gemeinsamen Pressekonferenz. Habe ich meine Seele dem Teufel verschrieben oder wurde der Forstdirektor vom Saulus zum Paulus? Was war geschehen?

Unsere Kampagne gegen die Gatterjagd begannen wir im Sommer 2015 auf verschiedenen Ebenen, aber unter anderem auch mit wöchentlichen Demonstrationen vor dem Lainzer Tiergarten. Die Stadt Wien reagierte mit einer Einladung an mich, initiiert von der Chefin der MA22, am runden Tisch mit professioneller Moderation gemeinsam ein neues Konzept des Wildtiermanagements im Lainzer Tiergarten auszuhandeln. Ein beeindruckend mutiger Schritt, der eine hohe demokratiepolitische Reife beweist. Hier sind Menschen am Werk, für die Tierschutz keine leere Phrase ist.

Es stellte sich heraus, dass die Forstdirektion im Lainzer Tiergarten bereits seit einiger Zeit eine Abkehr von der Spaß- und Trophäenjagd einleitet. Geschossen soll nur noch werden, wenn sich der Wald nicht mehr ausreichend verjüngen kann, und nur noch auf jene Tierarten, die dafür verantwortlich sind, also z.B. weder auf irgendwelche Vögel noch auf Raubtiere. Die Fütterungen werden eingestellt, sämtliche Tiere im Lainzer Tiergarten sollen sich selbständig und autonom von der dortigen Natur ernähren können. Wer, wie ich, die Jagdpraxis kennt, wird mir zustimmen, dass das ein echt revolutionärer Zugang ist. Wermutstropfen bleibt, dass die in diesem Sinne notwendigen Abschüsse weiterhin an Jagdgäste mit Hang zu Trophäen verkauft werden.

Mit diesem Vorschlag ging man seitens der Forstdirektion in die Verhandlungen. Mir war sehr wichtig, dass die Praxis zahlender Jagdgäste ein Ablaufdatum hat. Leider wurde das zunächst zugesagt, dann aber nach Einflussnahme von ganz oben wieder zurück gezogen. Zusätzlich wollte ich grundsätzlich vom Prinzip der Jagd auf eingezäunte Tiere abkommen. Nun wird es ein wissenschaftlich begleitetes Verhütungsprojekt im Lainzer Tiergarten für Mufflons und Damhirsche geben. Und ist einmal die Wildtierpopulation auf eine mit der Natur verträgliche Dimension zurückgegangen, dann soll es auch Grünbrücken geben, die den Tieren den Wechsel aus dem Tiergarten hinaus oder umgekehrt hinein ermöglichen. Jagdgatter ist das dann auf keinen Fall mehr.

Dass es wirklich ein Verhütungsprojekt bei einer Wildtierpopulation in Österreich geben wird, ist ein unglaublicher Schritt. Bisher gab es das noch nirgends, in Europa fällt mir dazu nur die Verhütung bei Wildpferden im Donaudelta in Rumänien ein. Natürlich ist es irgendwie am Einfachsten, Tiere, die „überzählig“ oder „lästig“ sind, einfach abzuschießen. Aber ich kann diesen Wesen nicht dabei in die Augen schauen, auch wenn es ganz plötzlich geschieht. Wer entscheidet eigentlich, welches Individuum zu sterben hat? Ich halte es für eine ganz wichtige Aufgabe und einen wesentlichen Schritt, im Überlappungsbereich zwischen Wildnis und menschlichem Kuturland ein gewaltfreies Auskommen zu finden, auch wenn das Geld kosten sollte. Erstaunlicher Weise geht die Forstdirektion der Stadt Wien diesen Schritt nun mit.

Auf der Pressekonferenz haben meine beiden Ko-PräsentatorInnen ihre Beiträge beendet. Nun beginne ich zu sprechen und erzähle davon, dass ich noch am Vortag bei der Gatterjagd von Mayr-Melnhof in Salzburg von JägerInnen physisch bedroht und angepöbelt worden bin, hier in Wien dagegen zum konstruktiven Gespräch mit einer tragbaren Lösung geladen wurde. Nein, weder habe ich meine Seele dem Teufel verkauft noch ist der Forstdirektor vom Saulus zum Paulus geworden. Aber der Tierschutzgedanke ist in den letzten Jahren auch in die höchsten Etagen der Beamtenschaft der Stadt Wien durchgesickert und es ist Zeit geworden, einen nächsten großen Schritt gemeinsam zu gehen, um das Mensch-Tier Verhältnis auf ein neues Fundament zu stellen. Kann man mehr erwarten?

Wir müssen nach den Sternen greifen, dürfen aber den Blick auf die Realität dabei nicht verlieren. Der politische Gegner steht auch unter Zwängen, die er nicht mir nichts dir nichts einfach abschütteln kann. Kooperation und Kompromiss werden so zum gefährlichen Balanceakt. Zusammenarbeit nicht um jeden Preis, aber wo sich die Möglichkeit zu einer echten Weiterentwicklung zur Besserstellung der Tiere auftut, müssen wir immer dafür offen bleiben. Und das ist hier der Fall. Im Verhältnis zur üblichen Jagdpraxis ist das neue Wildtiermanagement im Lainzer Tiergarten echt revolutionär.

Ja, die Pressekonferenz war ein historischer Moment. Ein echter Neuanfang im Verhältnis zu Wildtieren, mit spannenden Zukunftsperspektiven und hoffentlich einer Vorbildwirkung für die anderen Bundesländer. Das sind die Früchte jahrzehntelanger Tierschutzarbeit.

Ein Gedanke zu “Ein historischer Moment: Pressekonferenz mit dem Forstdirektor von Wien

  1. Schön, endlich auch einmal eine positve Nachricht zu dem Thema, die schrecklichen Berichte der letzten Zeit haben sich bei mir schon merkbar aufs Gemüt geschlagen. Hoffentlich ist dies erst der Beginn für ein weitgehendes Umdenken.

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