25. April 2024

Offener Brief an Vet Uni Wien Rektorin Sonja Hammerschmid

Sehr geehrte Frau Rektorin,

Sie haben kürzlich dem VGT eine Klagsdrohung wegen eines Tierversuchs geschickt, der der Effizienzsteigerung der Nutztierindustrie dient. Es war Ihnen ein großes Anliegen zu betonen, dass dieser Versuch nicht an Ihrer Universität stattgefunden hat, weil: „Die Veterinärmedizinische Universität Wien lehnt jede Verletzung des Tierschutzes und seiner rechtlichen Grundlagen ab.“ Jetzt haben Sie in der Tageszeitung „Der Standard“ eine 4-seitige Anzeige geschaltet, in der der Leiter der Universitätsklinik für Geflügel, Michael Hess, über seine Forschungsarbeit an der Schwarzkopfkrankheit bei Puten Auskunft gibt. Nun, zu diesem Thema gab es 2 Tierversuchsprojekte im Jahr 2014 in Österreich, in deren Verlauf insgesamt 150 Puten und 100 Hühner mit dieser Krankheit infiziert wurden. Tatsächlich gibt es sehr ähnliche Tierversuche in Österreich seit über 10 Jahren, ohne erkennbares Resultat. Den Angaben des Wissenschaftsministeriums ist zusätzlich zu entnehmen, dass diese Tierversuche schweres Leid verursachen, das ist die höchste der Stufen für Tierleid bei Tierversuchen.

Da Sie ja sehr klagsfreudig sind, möchte ich nun keine Behauptungen aufstellen, sondern Sie in aller Öffentlichkeit zu diesen Tierversuchen befragen. Als Rektorin der Veterinärmedizinischen Universität, deren Credo laut Ihrer Anzeige im Standard „Verantwortung für Tier und Mensch“ lautet, bitte ich Sie, dazu Stellung zu nehmen. Ich denke schon, dass die BürgerInnen dieses Landes, die immerhin Ihre Universität finanzieren und ermöglichen, ein Recht darauf haben, informiert zu werden:

1.    Hat Hess an Ihrer Universität im Jahr 2014 Tierversuche an 150 Puten und 100 Hühnern durchgeführt, in deren Verlauf zumindest einige dieser Tiere mit der Schwarzkopfkrankheit infiziert wurden, und die zu schwerem Leid für zumindest einige dieser Tiere geführt hat?
2.    Ist es richtig, dass es effektive Medikamente gegen die Schwarzkopfkrankheit gibt, die z.B. die Wirkstoffe Metronidazol, Dimetrodazol oder Ronidazol enthalten, die aber nicht an Tiere verabreicht werden dürfen, wenn diese für den menschlichen Verzehr bestimmt sind?
3.    Ist es richtig, falls die ersten beiden Fragen mit ja beantwortet wurden, falls also diese Tierversuche, die schweres Leid verursachen, an Ihrer Universität stattgefunden haben und vermutlich weiterhin stattfinden, diese demnach der Verhinderung von Profiteinbußen für die Nutztierindustrie dienen, weil Medikamente gesucht werden, die verabreicht werden können, ohne dass die Tiere für die Profitinteressen der TierfabriksbetreiberInnen ausfallen?
4.    Wäre das dann das, was Sie mit „Verantwortung gegenüber Tier und Mensch“ in Ihrem Grundsatz meinen?
5.    Unabhängig davon, wer diesen Tierversuch tatsächlich durchgeführt hat, finden Sie es den Puten gegenüber verantwortlich, dass sie auf so grausame Weise ihr Leben lassen müssen, damit die intensive Nutztierhaltung nur ja keine Profiteinbußen erleidet? Finden Sie es den BürgerInnen dieses Landes gegenüber verantwortlich, auf diese Weise eine Industrie zu fördern, die die Lebensqualität aller beeinträchtigt, von Tier und Mensch?
6.    Was halten Sie denn von der intensiven Putenmast? Sehen Sie darin kein Problem, dass für diese Tiere eine Qualzucht entwickelt wurde, dass sie lebenslang in ihrem Kot stehen müssen, dass ihre Schnäbel brutal abgeschnitten werden und dass sie in Besatzdichten von letztlich 2 Tieren mit je 20 kg Lebendgewicht pro m² in völlig strukturlosen Hallen fast ein halbes Jahr dahinvegetieren müssen? Hieße Verantwortung gegenüber Tier und Mensch hier nicht Forschungsprojekte durchzuführen, die die Lebensbedingungen für die Puten verbessern, z.B. das Schnabelkürzen verhindern oder zu Struktur in den Tierfabrikshallen führen?
7.    Sie kennen sicher jene medizinischen Versuche an Menschen, in deren Verlauf PatientInnen ohne ihr Wissen mit z.B. Syphilis infiziert wurden oder diese Krankheit bei ihnen nicht behandelt wurde, um Heilverfahren dagegen zu entwickeln. Diese Versuche sind heute als ethisch nicht vertretbar anerkannt, weil hier Menschen für andere Menschen geopfert wurden. Nun, selbst wenn wir unterstellen, dass diese Tierversuche zur Schwarzkopfkrankheit tatsächlich der Entwicklung von Heilmethoden für die Puten dienen sollen, würden hier nicht, genauso, Puten für Puten geopfert? Wenn es ethisch nicht vertretbar ist, Menschen für Menschen zu opfern, meinen Sie es ist vertretbar, Puten für Puten zu opfern? Mit welcher Begründung?
8.    Ist es richtig, dass Kollege Hess selbst in Ihrer Ethikkommission sitzt, wie auf seiner Webseite angegeben, und dass Ihre sogenannte Ethikkommission, die im Tierversuchsgesetz überhaupt nicht verankert ist, diese Tierversuche an Puten und Hühnern, falls sie an Ihrer Universität stattgefunden haben, genehmigt hat? Hieße das nicht, dass in Ihrer Ethikkommission Menschen sitzen, die ethisch überhaupt nicht vertretbare Tierversuche durchführen, die aber über die Zulässigkeit ihrer eigenen Tierversuche urteilen? Gesetzt es ist so, halten Sie das für sinnvoll? Würden Sie sagen, Ihre Ethikkommission ist mehr als bloß ein Feigenblatt vor der Öffentlichkeit?
9.    Die EU-Richtlinie und das österreichische Tierversuchsgesetz schreiben vor, dass Tierversuche nur dann zulässig sind, wenn ihr Nutzen für die Lebensqualität von Mensch und Tier den Schaden an den Versuchstieren übersteigt, der ihnen durch den Tierversuch zugefügt wird. In welchem Sinne, würden Sie sagen, ist das bei den genannten Tierversuchen der Fall? Ist Ihnen bekannt, dass die intensive Nutztierindustrie, wie eben in der Putenmastfabrik, unermessliches Tierleid verursacht, die Umwelt schädigt, die menschliche Gesundheit belastet, den Klimawandel beschleunigt und die Wirtschaft in den Entwicklungsländern zerstört? Könnte das der Nutzen von Tierversuchen an Ihrer Universität sein oder können Sie das ausschließen? Wo würden Sie da die Verantwortung für Tier und Mensch verorten?

Sollten diese Tierversuche an Ihrer Universität stattgefunden haben, dann müsste ich feststellen, die Veterinärmedizinische Universität führt tierquälerische Tierversuche (schweres Leid) durch und verletzt damit den Tierschutz (Förderung von Tierfabriken) und seine rechtlichen Grundlagen, weil nach dem Tierversuchsgesetz keine Versuche stattfinden dürfen, deren Nutzen nicht den Schaden überwiegt. Und das ist bei diesen Tierversuchen sicherlich nicht der Fall. Ich würde mich über eine konkrete Antwort sehr freuen.

Hochachtungsvoll,

Martin Balluch

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